Hungertuch - St.Barbara Mülheim / Ruhr

Das Hungertuch aus dem Jahre 2010.

Veröffentlicht im Februar 2010 auf der alten Internetseite der Pfarrei St. Barbara / Mülheim.

Teilnehmer

Hungertuch Bilder

Predigt vom 21. Februar 2010

Kreuzwege heute

Welche Kreuzwege gehen Menschen heutzutage?
Welche Kreuze müssen Menschen heute tragen?

Der Pastoralausschuss des Gemeinderates hat alle Verbände und Gruppierungen in St. Barbara eingeladen, sich zu diesen Fragen Gedanken zu machen. Und die Gedanken und Überlegungen darzustellen. Klein war der vorgegebene Abschnitt für jede Gruppe: gerade 50 x 50 cm. Groß aber war die Resonanz: fast 40 Vereine und Gruppierungen haben sich beteiligt und es ist das Hungertuch entstanden, das Sie an der Kirchwand vor sich sehen.

Die Tradition der Hungertücher ist sehr alt: Vor tausend Jahren schon wurde ihr Gebrauch in alten Schriften erwähnt. Zunächst waren es einfarbige, schwarze oder violette Tücher. Sie verhüllten in der Fastenzeit den gesamten Chorraum. Die Priester feierten hinter diesem Tuch die hl. Messe. So kam zum Fasten des Leibes das Fasten der Seele hinzu, denn die Anschauung des Allerheiligsten war ja verwehrt. Der Ausdruck „am Hungertuch nagen“ stammt schon aus dieser Zeit.

Später wurden die Tücher reich bestickt und gestaltet. In einer Zeit, in der viele Menschen nicht lesen und schreiben konnten, war das Hungertuch für sie wie eine kleine Bibelkatechese. Denn stets wurden Szenen aus dem Alten oder der dem Neuen Testament dargestellt.
Seit dem 16. Jahrhundert war es in erster Linie die Passion Christi, die dargestellt wurde.

Heutzutage verhüllen kleine Hungertücher nicht mehr den gesamten Chorraum, sondern das Kreuz. Dieser sonst selbstverständliche Anblick des Kreuzes – Zeichen unseres Heils und unserer Erlösung – soll durch die Verhüllung erst recht ins Bewusstsein gehoben werden = Fasten der Seele.

In den letzten Jahren ist eine besondere Art des Hungertuches hinzugekommen. Das Hilfswerk Misereor hat diese Aktion 1976 ins Leben gerufen und stellt immer wieder Hungertücher vor, die aus verschiedenen Ländern der Erde stammen. Diese Hungertücher stellen dar, welche Kreuze die Menschen des jeweiligen Landes zu tragen haben, und wie sie die Nähe und das Wirken Jesu Christi erlebt haben. So kam das Hungertuch des letzten Jahres aus Afrika. Vielleicht erinnern Sie sich an den kleinen jungen auf dem schwimmenden Ölfass – das Kreuz der Umweltverschmutzung.

Das Hungertuch, das in diesem Jahr in unserer Kirche hängt, kommt aus unserer Gemeinde. Da haben einzelne Menschen oder Gruppen ihre Sorgen und Kreuze benannt, die sie persönlich betreffen. Da haben einige in die Welt geschaut und die Kreuze der Menschen dort benannt.

  • Die Alten- und Rentner-Gemeinschaft benennt z. B. ein Kreuz, das nicht ihr eigenes Kreuz ist, sondern das viele Kinder heute tragen müssen: die Kinderarbeit, die Kinderarmut
  • Die Kinder benennen immer wieder, dass es besonders weh tut, wenn einer allein und ausgestoßen ist
  • Rumänien, Brasilien, Afrika werden genannt – Länder, Kontinente, in denen Menschen schwere Kreuze tragen müssen
  • Das Kreuz der Einsamkeit für viele alte Menschen, das Kreuz, sich immer schwerer nur bewegen zu können
  • Das Kreuz von Hetze, Stress, Unter-Druck-geraten, Zeitnot
  • Das Kreuz von Arm und Reich direkt vor unserer Haustür
  • Das Kreuz des Ausgelacht-Werdens
  • Das Kreuz der verfolgten Christen in vielen Ländern

Unmöglich kann ich jetzt alles benennen. Herzlich lade ich Sie ein, nach dieser hl. Messe und in der gesamten Fastenzeit immer wieder sich ein Teilstück des Hungertuches näher anzuschauen. Diese Mappe hier hilft Ihnen dabei. Denn jede Gruppe hat Gedanken aufgeschrieben zu ihrem Teil des Hungertuches. Sehr lesenswert!

Und wenn Sie vielleicht auch nicht persönlich an einem Teilstück des Hungertuches mitgearbeitet haben – vielleicht gibt eines der Bilder wieder, welches Kreuz Sie gerade besonders belastet und beschäftigt. Und vielleicht können Ihnen die Gedanken dazu Ermutigung und Stärkung sein.

An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an alle, die es ermöglicht haben, dass dieses Hungertuch entstehen konnte.